Eine Lea-Grundig-Straße in Dresden? 

Das Vorschlagsrecht für Straßennamen liegt in Dresden gem. einer Richtlinie der Verwaltung bei den Stadtbezirksbeiräten. Beschließen muss die Benennung jedoch der Stadtrat. 

Normalerweise ist das alles recht problemlos, doch bei Lea Grundig scheiden sich die Geister. Denn sie war nicht nur eine jüdische Künstlerin, sondern nach Verfolgung, Flucht und späterer Remigration in der DDR führender SED-Kader. Lea Grundig war Mitglied des Zentralkomitees der SED und Präsidentin des Verbandes Bildender Künstler der DDR ...

Die AG Straßennamen lehnt den Vorschlag (einstimmig) ab.  

 

Nachdem aufgrund der uns vorliegenden Informationen und der Tatsache, dass das Wirken von Lea Grundig als Funktionärin in der DDR bislang gänzlich unerforscht ist, haben wir im Frühjahr 2023 ein Gutachten in Auftrag geben lassen. 

Die Universität Halle hat im November 2023 ein Gutachten vorgelegt, welches in der Kürze der Zeit selbstredend nicht bis ins letzte Detail gehen kann. Dennoch wird beim Lesen sehr deutlich, wo die Schwierigkeiten liegen.

Lea und ihr Mann Hans Grundig waren in den 1950er Jahren eine Zeit lang Stasi-Informatoren. Als Funktionärin im ZK, dem Führungszirkel der DDR, und als Präsidentin des VBK wusste sie ihre Position sehr gut für ihre Zwecke zu nutzen. Sie war nicht Mitläuferin, sondern gehörte klar zum überzeugten SED-Kader.

Eine Straßenbenennung ist eine besondere Ehrung. Hierbei ist das gesamte Lebenswerk zu betrachten. Nicht ohne Grund darf eine Benennung frühestens fünf Jahre nach dem Tod erfolgen. Denn häufig ist mit ein wenig zeitlichem Abstand auch eine andere Sichtweise möglich. 

Im Fall von Lea Grundig ist abzuwägen. 
Sie war Jüdin, sie war Kommunistin, sie war Künstlerin. Sie wurde als jüdische, kommunistische Künstlerin von den Nazis verfolgt. Nur durch Flucht ins heutige Israel gelang es ihr, die Nazi-Herrschaft zu überleben. Nach dem Krieg kehrte sie zurück, ihr Mann Hans hatte den Krieg trotz Lagerhaft überlebt.
In der DDR stieg sie schnell auf. Sie wurde, ohne die erforderliche Qualifikation, Dozentin an der Hochschule der Bildenden Künste in Dresden, zwei Jahre später wurde sie dort Professorin. Von 1964 bis 1970 war sie Präsidentin des Verbandes Bildender Künstler der DDR. Sie machte Parteikarriere, ab 1967 war sie Mitglied im Zentralkomitee der SED. Lea Grundig starb 1977 während einer Mittelmeerreise. Das Grab der Eheleute Grundig befindet sich auf dem Dresdner Heidefriedhof.

Aus meiner Sicht reicht die jüdische Herkunft und die Verfolgung durch die Nazis nicht aus, um den zweiten Teil ihres Lebens auszublenden. Es ist derzeit nicht abschließend erforscht, ob und wie Lea Grundig ihre Positionen in der DDR ausgenutzt hat, um anderen Menschen zu schaden. Eine Straßenbenennung halte ich deshalb zum jetzigen Zeitpunkt für nicht gerechtfertigt.    

© Mario Schmidt. Alle Rechte vorbehalten. 

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